24.10.2011

Abends Kohlenhydrate für die schlanke Linie meiden? Wahrheit oder Mythos?

Wer abnehmen will, der lässt einfach abends Kohlenhydrate aus Brot, Kartoffeln, Nudeln oder Reis weg und schon purzeln die Pfunde. Frauenzeitschriften schreiben darüber, Promis schwören darauf, diverse Diätstrategien bauen auf die kohlenhydratarme Abendmahlzeit als Fatburner auf, mit der man sogar im Schlaf abnehmen kann. Die Idee, die hinter diesem Konzept steckt, klingt erst einmal logisch. Kohlenhydrate locken nämlich das „dickmachende“ Hormon Insulin, welches den Fettabbau hemmt und die Fetteinlagerung fördert. Je weniger Insulin also im Blut herumkurvt, desto besser werden Sie Ihr Fett los. Wer abends auf Kohlenhydrate verzichtet lockt folglich kaum Insulin und kann die Nacht nutzen, um die Fettreserven anzuzapfen. Trotz aller Logik fehlt es bisher an guten kontrollierten Studien, die diese Hypothese belegen. Eine kürzlich erschiene Studie aus Israel zeigt sogar das genaue Gegenteil. Das Fazit der Forscher: Wer tagsüber Low-Carb isst und sich dafür am Abend eine Kohlenhydratmahlzeit gönnt, nimmt effektiver ab! Den Grund hierfür sehen Forscher in der veränderten tageszeitlichen Ausschüttung von Hormonen, die bei der Entstehung von Hunger, Sättigung und Ãœbergewicht eine wichtige Rolle spielen.

Leptin, ein Hormon das in der Fettzelle gebildet wird, hat die Aufgabe Hunger, Sättigung und die Nahrungsaufnahme zu regulieren. Dabei fungiert es als Vermittler zwischen Fettzelle und Gehirn. Prall gefüllte Fettzellen schütten mehr Leptin aus. Die Botschaft an das Gehirn lautet dann: „Genügend Reserven vorhanden, bitte Sättigung fördern“. Folglich fühlt man sich satt und muss keine weitere Energie aufnehmen. Verlieren die Fettzellen im Rahmen einer Diät an Umfang, sinkt auch die Leptinkonzentration, was sich durch quälende Hungergefühle nach einer Diät bemerkbar macht. Leptin als Sättigungshormon unterliegt einem eigenen Biorhythmus. Normalerweise fällt tagsüber die Konzentration ab, man wird hungriger. Nachts, wenn wir schlafen schüttet die Fettzelle am meisten Leptin aus, wir sind satt und können besser schlafen.

Doch wäre es nicht auch sinnvoll das Sättigungshormon vor allem tagsüber auszuschütten, um weniger hungrig durch den Tag zu kommen? Dass sich die zeitliche Ausschüttung von Leptin manipulieren lässt, zeigte eine Studie an Muslime während der Ramadanzeit. Beim Ramadan wird ab Sonnenaufgang gefastet. Erst mit Sonnenuntergang darf Nahrung, die meistens kohlenhydratreich ist, wieder zugeführt werden. Forscher fanden dabei heraus, dass ein solches Essverhalten Auswirkung auf die zeitliche Ausschüttung des Sättigungshormons Leptin hatte. Das wiederum könnte das verminderte Hungergefühl tagsüber beim Fasten erklären. Dieses Ergebnis wiederum motivierte israelische Forscher herauszufinden, ob im Rahmen einer kalorienreduzierten Diät, das Einschränken der Kohlenhydrate über Tag und ihr alleiniger Verzehr am Abend tatsächlich das Abnehmen erleichtert. Für diese Studie haben sie übergewichtige Personen in zwei Gruppen eingeteilt und 6 Monate mit 1300-1500 kcal täglich auf Diät gesetzt. Die Testgruppe musste den ganzen Tag über Kohlenhydrate meiden, also Low-Carb essen. Abends durften sie zwischen einer Brotmahlzeit oder einem Nudel- oder Reisgericht wählen. Die Kontrollgruppe dagegen sollten zu jeder Mahlzeit Kohlenhydrate essen, wobei der Anteil abends geringer als in der Testgruppe war. Am Ende der Studie hatte die Testgruppe mit der kohlenhydratreichen Abendmahlzeit nicht nur signifikant besser abgenommen, sondern musste sich auch mit weniger Hungergefühlen durch den Tag kämpfen, als die vergleichsweise ausgewogen kohlenhydraternährte Kontrollgruppe.

Wissenschaftler erklären sich dies wie folgt: Die höhere Insulinausschüttung am Abend bedingt durch die Kohlenhydratmahlzeit führt 6-8 Stunden später zu einer erhöhten Leptinausschüttung, die über den ganzen Tag andauert. Aber nicht nur das, die höhere Insulindosis am Abend sorgte zudem tagsüber für eine geringere Insulinkonzentration im Blut. Damit hätte man nur durch die Verschiebung der Kohlenhydratmahlzeit auf den Abend bei sonst kohlenhydratarmer Ernährung tagsüber zwei Fliegen mit einer Klappe geschlagen: Mit mehr Leptin kommt man satter durch den Tag und weniger Insulin tagsüber hilft die Fettreserven anzuzapfen. Voraussetzung ist aber, dass Sie tagsüber die Kohlenhydrate reduzieren! Diese Studie ist ein klarer Hinweis, dass Diätstrategien, die auf dem „Dinner-Cancelling- oder Schlank-im-Schlaf-Prinzip beruhen, weder physiologisch sinnvoll noch wissenschaftlich belegt sind. Wie sie aber Schlank „durch“ Schlaf werden können, das verrate ich beim nächsten Mal.

Literatur:
Sigal Sofer et al: Greater weight loss and hormonal changes after 6 months diet with carbohydrates eaten mostly at dinner. Obesity (2011)






← zurück